Ertragsteuerliche Behandlung von Biogas(-anlagen)
BMF-Schreiben veröffentlicht umfangreiches Schreiben
Über die ertragsteuerliche Behandlung von Biogasanlagen kommt es immer wieder zum Streit zwischen Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden. Das trifft ebenso auf die steuerliche Behandlung der durch solche Anlagen erzeugten Energie zu.
Das Bundesfinanzministerium hat nun durch die Veröffentlichung eines lang erwarteten Schreibens für mehr Rechtsklarheit gesorgt (BMF-Schreiben vom 11.4.2022, IV C 7 – S 2236/21/10001 :002). Im Einzelnen legt das Schreiben Folgendes fest:
- Grundsätzlich gilt, dass die Erzeugung von Biogas Teil der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion ist, wenn die für die Herstellung des Biogases genutzte Biomasse überwiegend im eigenen Betrieb erzeugt wird und das Biogas oder die daraus erzeugte Energie (Strom, Wärme) überwiegend im eigenen Betrieb verwendet wird.
- Die Abgabe von Strom und Wärme führt – unabhängig vom Umfang der verarbeiteten und selbst erzeugten Biomasse – zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, der neben dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb besteht. Die Überführung von Biomasse aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in den Gewerbebetrieb ist so zu bewerten wie die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter von einem Betrieb auf einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen (§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG).
- Bei der Abgrenzung der Land- und Forstwirtschaft vom Gewerbebetrieb ist für die Frage, ob die Grenze der R 15.5 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStR (gewerblicher Nebenbetrieb eines landwirtschaftlichen Betriebs) überschritten wird, grundsätzlich ein Mengenvergleich der eingesetzten Rohstoffe vorzunehmen.
- Bei gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlüssen (Mitunternehmerschaften) gilt Folgendes: Ist eine Person, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt, an einer Mitunternehmerschaft beteiligt, die aus Biogas Energie erzeugt, und verkauft diese Person der Mitunternehmerschaft Biomasse, die im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb erzeugt wurde, sind die daraus resultierenden Einnahmen nicht als Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen der Mitunternehmerschaft zu erfassen, sondern als Einnahmen des land- und forstwirtschaftlichen (Einzel-)Betriebs.
- Bestandteile einer Biogasanlage sind insbesondere der Gärbehälter/Fermenter mit Nachgärer, die dazugehörige Einbringungs-, Mess- und Steuerungstechnik, die Elektroinstallation, das Rührwerk, die Separierung, die Gasfackeln, der Gasspeicher sowie die Pumpstation. Diese Gegenstände stehen in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang; sie sind daher zusammen abzuschreiben. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer einer Biogasanlage beträgt nach der amtlichen AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“ 16 Jahre. (Die Verwaltung schafft damit zumindest aus ihrer Sicht Rechtsklarheit in Bezug auf die stark umstrittenen Abschreibungszeiträume.)
- Wirtschaftsgüter, die zwar zusammen mit einer Biogasanlage genutzt werden, sich aber auch davon losgelöst verwenden lassen (zum Beispiel Gebäude, Hof- und Platzbefestigung, Zuwege, Grünanlagen mit Umzäunung, Transformator, Gas- und Wärmeleitungen, Fahrsilo, Siloplatte, Fuhrwerkswaage), sind selbstständige Wirtschaftsgüter, wenn sie für sich bewertbar sind.
Dazu zählt insbesondere auch ein Blockheizkraftwerk. Die für den Betrieb des Kraftwerks erforderliche Technik und der Motor sind regelmäßig unselbstständige Bestandteile des Wirtschaftsguts Blockheizkraftwerk. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beträgt nach amtlicher AfA-Tabelle zehn Jahre.
- Unfertiges Biogas, das sich im Fermenter und im Nachgärer befindet, ist Umlaufvermögen. Als unfertiges Erzeugnis ist es mit den bis zum Bilanzstichtag angefallenen Herstellungskosten zu bewerten. Hierzu gehören insbesondere die Anschaffungskosten der Biomasse oder Substrate (zum Beispiel Maissilage und Gülle).
- Hinsichtlich der Rückbauverpflichtung gilt: § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB begründet vor Eintritt der dauerhaften Aufgabe der zulässigen Nutzung als Biogasanlage regelmäßig noch keinen hinreichend bestimmbaren Zeitraum für die Rückbauverpflichtung. Hat die steuerpflichtige Person jedoch bereits eine gemäß § 35 Abs. 5 Satz 2 BauGB erforderliche Verpflichtungserklärung abgegeben und ist die Verpflichtung durch Eintragung einer Baulast ins Grundbuch oder durch Vorlage einer Bankbürgschaft in Höhe der voraussichtlichen Beseitigungs- und Wiederherstellungskosten sichergestellt, ist die Verpflichtung hinreichend konkretisiert.
Die Festlegungen im neuen BMF-Schreiben gelten für Wirtschaftsjahre, die nach der Veröffentlichung der Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien am 25.3.2013 begonnen haben. Allerdings können für Wirtschaftsjahre, die nach dem Stichtag 25.3.2013, aber vor dem 31.12.2018 begonnen haben, noch die Regelungen des BMF-Schreibens vom 6.3.2006 (IV C 2 – S 2236 – 10/05 IV B 7 – S 2734 – 4/05) angewandt werden.