Strom- und Wärmeerzeugung durch Biogasanlage
Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wärmeabgabe
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die unentgeltliche Wärmeabgabe im Rahmen des Betriebs einer Biogasanlage umsatzsteuerlich einzuordnen ist. Entschieden hat der BFH diesbezüglich Folgendes: Betreibt ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer eine Biogasanlage und kommt es in diesem Zusammenhang zur Lieferung von Strom gegen Entgelt sowie darüber hinaus auch zur unentgeltlichen Abgabe erzeugter Wärme an Dritte, handelt es sich bei der Wärmelieferung um einen Vorgang, der einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist und daher als unentgeltliche Zuwendung im Sinne von § 3 Abs. 1b UStG anzusehen ist. Die unentgeltliche Wärmeabgabe unterliegt damit grundsätzlich der Umsatzsteuer (Urteil vom 25.11.2021, V R 45/20).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Kommanditgesellschaft (KG) betrieb eine im Jahr 2006 errichtete Biogasanlage. Die beim Bau der Anlage angefallenen Umsatzsteuerbeträge wurden in vollem Umfang als Vorsteuer abgezogen. In den Jahren 2009 und 2010 wurde die Anlage erweitert. Auch hier kam es wieder zum Vorsteuerabzug.
Den mit der Anlage erzeugten Strom speiste die KG gegen Entgelt in das Stromnetz ein. Die Gesellschaft verpflichtete sich darüber hinaus zur unentgeltlichen Lieferung von Wärme an zwei GbRs. Die Wärmeabgabe wurde nicht der Umsatzsteuer unterworfen.
Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Meinung, die Wärmelieferungen der KG müssten als unentgeltliche Wertabgabe im Sinne von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG Lieferungen gegen Entgelt gleichgestellt werden. Die Selbstkosten sind in einem solchen Fall als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer heranzuziehen. Das Finanzamt erließ dementsprechend Umsatzsteuerbescheide. (Eine im Zusammenhang mit der Außenprüfung zwischen der KG und den GbRs geschlossene Preisvereinbarung die Wärmelieferungen betreffend erkannte das Finanzamt insbesondere aufgrund des sehr niedrigen Lieferpreises, der weit unter den Selbstkosten lag, nicht an.)
Der Einspruch der KG gegen die Umsatzsteuerbescheide blieb erfolglos; es folgte ein Finanzgerichtsprozess. Zwar ging das Niedersächsische Finanzgericht – wie auch später der BFH – von einer unentgeltlichen Zuwendung im Sinne von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG aus, die einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist. Allerdings sah das Finanzgericht bezogen auf die Wärmelieferung die gesetzliche Voraussetzung „Berechtigung zum Vorsteuerabzug“ im Streitfall als nicht erfüllt an (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG). Die Argumentation des Gerichts: Da von vornherein beabsichtigt war, die Wärme unentgeltlich zu überlassen und die Biogasanlage insoweit nicht zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger Ausgangsumsätze vorgesehen war, resultierte aus dem Verwendungszweck „Produktion und Lieferung von Wärme“ kein Anspruch auf den Vorsteuerabzug. Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gleichstellung der unentgeltlichen Wärmelieferungen mit entgeltlichen Lieferungen nach Ansicht des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht erfüllt, zumal im Gesetz ausdrücklich die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gefordert wird (Urteil vom 29.10.2020, 11 K 21/20).
Dieser Auffassung schloss sich der BFH im Revisionsverfahren allerdings nicht an und stellte Folgendes fest:
- Im konkreten Fall war das Kriterium „unentgeltlich“ als Voraussetzung für die Gleichstellung der zugewendeten Wärme mit einer entgeltlichen Lieferung erfüllt, da die nachträglich geschlossene Preisvereinbarung nicht zum Tragen kam.
- Die unentgeltliche Übertragung der Wärme verschaffte den beiden GbRs einen Vermögensvorteil. Unerheblich ist, ob der Zuwendende unternehmerische oder außerunternehmerische Zwecke verfolgt hat.
- Der zugewendete Gegenstand (= Wärme) berechtigte zum Vorsteuerabzug. Bei Gegenständen, die der Unternehmer wie im konkreten Fall mit eigenen Produktionsmitteln herstellt, ist darauf abzustellen, ob der Unternehmer beim Erwerb der für die Herstellung der Gegenstände benötigten Anlagen zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug lag vor. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die KG als Betreiberin der Anlage von Anfang an auch die Abgabe von Wärme zur privaten (kostenlosen) Nutzung beabsichtigt hat.
Der V. Senat des BFH hat am 25.11.2021 noch über zwei weitere Revisionen entschieden, denen ebenfalls Vorentscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts mit vergleichbaren Fallkonstellationen vorausgegangen waren (V R 46/20 sowie V R 47/20).